Predige das Wort

Überlegungen zum Glauben an Jesus Christus






Aspekte des Glaubens

Kapitel 3
Glauben im Bereich der persönlichen Beziehungen

Die Argumente aus dem Bereich der Physik eignen sich für Gedankenspiele, sind aber in einem gewissen Sinne herrlich belanglos. Wir alle wissen, dass wir mit unseren Erfahrungen, wie sie in der klassischen Physik (Newton usw.) beschrieben werden, recht gut auskommen. Wir brauchen im realen Leben keine Relativitätstheorie, zumindest ist es bei der Entwicklung von Automobilen noch recht unüblich, damit zu rechnen und die Autos bewegen sich doch.

Im persönlichen Bereich gewinnt die Frage nach dem Glauben, den wir in uns, unsere Leistungsfähigkeit und unsere Ausdauer setzen, eine wesentlich existenziellere Bedeutung. Auch die Frage, welchen Glauben wir in unsere Mitmenschen, in der Familie, im persönlichen Umfeld, im Beruf oder auch in einer völlig fremden Umgebung hat eine große praktische Relevanz. Hier wird sehr eindrucksvoll deutlich, dass Glauben unverzichtbarer Bestandteil jeden menschlichen Lebens ist. Hier wird auch deutlich, dass wir Glauben üben müssen, dass wir auf keinen Fall darauf verzichten können.

Junge Menschen können sich sehr spontan und vorbehaltlos für Menschen oder Ideen begeistern. Ihre Begeisterung kann ihr eigenes Leben verändern. Sie wählen ihre Kleidung nach ihrem Idol, sie verändern ihre Sprache und ihren Wortschatz, indem sie den Tonfall oder auch Redewendungen übernehmen. Ein älterer Mensch wird im allgemeinen wesentlich vorsichtiger sein, ehe er die Lebensart oder die Redeweise eines anderen Menschen übernimmt. Er wird den anderen Menschen zunächst skeptisch beobachten. Die Geschichte lehrt, dass sich auch ältere Menschen an einen Führer oder ein Idol binden können, manche bis in ihren eigenen Untergang. Was vollzieht sich in einem Menschen, der sich einen anderen Menschen als Vorbild oder Idol oder auch nur als politisches Leitbild wählt?

Er glaubt an diesen Menschen. Er kennt und erfährt einige Fakten aus dem Leben dieses Menschen und überträgt es auf den ganzen Menschen. "So möchte ich auch sen!" Er vollzieht diesen Schritt von der positiven Einzelerfahrung auf den ganzen Menschen. Weil die Einzelerfahrung gut war, muss alles gut sein. So wie in der Physik aus der einzelnen Beobachtungen ein Naturgesetz abgeleitet wird, so gehen wir auch in unseren persönlichen Beziehungen vor: Wir schließen aus Einzelbeobachtungen auf den ganzen Menschen.

Wenn man über diese Zusammenhänge nachdenkt, dann stehen einem schell die großen Negativbeispiele vor Augen. Der Führer Hitler, der eine Mehrheit des deutschen Volkes so in seinen Bann zog, dass er sie für seine Verbrechen instrumentalisieren konnte. Oder man schaut auf die vielen kleinen Hitlers, die Menschen zu Verbrechen und Gewalttätigkeit verführen. Beispiele gibt es viele, aber wenn man darüber nachdenkt, merkt man schnell, dass solche Menschen auch polarisieren. Mein Beispiel für einen solchen Verführer muss nicht notwendigerweise von jedem geteilt werden.

Es stellt sich die Frage, ob wir uns diesen Glauben an andere Menschen, diese Bereitschaft, einem Menschen - in welchem Sinn auch immer - nach zu folgen, ob wir uns solches nicht einfach abgewöhnen sollten.

Hier gibt es gute Argumente, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten:
Wir leben und arbeiten mit Menschen zusammen, die unser Vertrauen brauchen. Wenn wir uns in unserem Zusammenleben immer nur belauern, dann werden wir miteinander nicht viel erreichen. Wir haben keine Freude an unserem Zusammenleben, unsere ganze Kraft wird nur gebraucht, dass wir gegenüber dem anderen wachsam sind. In einer solchen Atmosphäre werden wir uns wohl kaum wohlfühlen, geschweige denn, dass wir produktiv werden und gute Ideen weiterentwickeln. Wir werden eher destruktiv sein, weil ja der Erfolg des anderen als eigene Niederlage erlebt wird.
Umgekehrt macht Arbeit dann Freude, Aber was bedeutet denn das für den einzelnen: Alle diese Punkte haben etwas mit "glauben" zu tun. Ich muss ein gewisses Vertrauen in den anderen investieren, ich muss Positives erwarten. Manchmal mag es gute Gründe geben, vorsichtig zu sein. Wenn mich ein Mensch enttäuscht hat, werde ich ihm bestimmte Aufgaben nicht mehr geben, oder ich werde versuchen, ihn zu beobachten, ihm Hinweise zu geben, wie es besser gehen könnte.

Dieser kleine Abschnitt soll nicht dazu dienen, die Probleme menschlichen Zusammenlebens umfassend darzustellen. Er soll nur an Beispielen zeigen, dass Glauben in unserem Zusammenleben eine tragende Rolle spielt. Dabei reden wir dann nicht vom Glauben, sondern wir reden von Vertrauen. Aber in der Sache ist Vertrauen nichts anderes als ein "für wahr Halten" von Dingen, die man nicht sieht, eine Erwartung in einen Menschen meist nur auf einem eingeschränkten Gebiet. Ich vertraue darauf, dass der Maurer, der an meinem Haus arbeitet, sein Handwerk so beherrscht, dass mein Haus auch bei Regen und Sturm fest steht.

Über das Vertrauen, das nötig ist, damit zwei Menschen heiraten, soll hier nicht weiter geschrieben werden. Es sei nur der Hinweis gegeben, dass es bei einer Eheschließung zu einer so weitgehenden Verbindung der Schicksale kommt, dass hier der Ausdruck "Glauben aneinander" durchaus gerechtfertigt ist. Denn zwei Menschen können sich gar nicht so weit prüfen, dass sie alle Eventualitäten der Zukunft auch nur annähernd vorher bedenken oder bereden, geschweige denn ausprobieren können.

Es ist also wichtig , dass ich im zwischenmenschlichen Bereich "Glauben" investiere - und sei es auch nur in der eingeschränkten Form des Vertrauens in eine bestimmte Fähigkeit oder Bereitschaft. Kann es dann sein, dass der Zerfall von zwischenmenschlichen Beziehungen, der sich an vielen Symptomen festmachen lässt, eine Folge der Tatsache ist, dass viele - berechtigt oder unberechtigt - meinen, sie könnten nicht glauben? Kann es sein, dass der, der nicht glauben will, auch eine wichtige Fähigkeit für die zwischenmenschlichen Beziehungen verschüttet?

So wie es keine Menschen gibt, die ohne zwischenmenschliche Beziehungen leben, zeigen diese Überlegungen deutlich, dass alle Menschen in der einen oder anderen Form glauben - und manchmal oder vielleicht auch sehr häufig falsch glauben. Es gibt keinen Menschen, der ohne Glauben auskommt. Da wir als Menschen von guten zwischenmenschlichen Beziehungen abhängig sind, ist es von hohem Interesse, diese elementare Fähigkeit des Menschen - den Glauben - zu entwickeln. Man wird einwenden, dass sich dies ja doch nur auf den anderen Menschen bezieht und damit doch etwas ganz anderes ist als ein Glaube an Gott. Vordergründig ist dieser Einwand richtig. Wenn man aber einen Schritt weiter denkt, wird man erkennen, dass der Glaube in den anderen auch eine Basis braucht. Diese Basis findet sich zum einem in dem, was wir Menschenkenntnis nennen. Zum anderen ist sie aber darin begründet, dass ich gewisse ethische Bindungen auch bei dem anderen voraussetze. Wenn ich einem Menschen begegne, werde ich annehmen, dass er mich nicht umbringt, dass er bestimmte Verhaltensnormen einhält, dass ich mich in einer gewissen Weise auf ihn verlassen kann. Hier haben die 10 Gebote großes für die Menschheit geleistet. Und es steht wohl außer Frage, dass Menschen, die eine Glaubensbasis haben, sich auch im zwischenmenschlichen Bereich besser, dauerhafter und tiefer finden als Menschen, die diese Basis nicht haben. Dies ist kein Versuch eines Gottesbeweises durch die Hintertür. Hier gibt es auch sicherlich Gegenbeispiele. Die Ehe zweier Atheisten muss nicht zwangsläufig scheitern. Aber eine breite Basis in Dingen des Glaubens fördert doch eine Beziehung.






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Überblick ... Glaubensthesen

Kapitel 1 ... Alle Menschen glauben

Kapitel 2 ... Wissenschaftliche Erkenntnis war zu jeder Zeit unvollständig

Kapitel 3 ... Glauben im Bereich der persönlichen Beziehungen

Kapitel 4 ... Einige grundlegende Fragen, was glaubhaft ist

Kapitel 5 ... Die Wahrheit kann nur von außen kommen

Kapitel 6 ... Konsequenzen für den Umgang mit Religionen

Kapitel 7 ... Der Mensch ohne Glauben verhungert

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