Predige das Wort

Überlegungen zum Glauben an Jesus Christus






EKD-Denkschrift zur Familie
Kapitel 5

Theologische Orientierung

Dieser Abschnitt ist für einen Menschen, der einerseits seine Bibel liebt, andererseits aber auch viele evangelische Freunde hat, die er auch als geistliche Menschen kennen gelernt hat, sehr schmerzlich. Der erste Satz bringt es schon auf den Punkt:
(Kap. 5 Einleitung) Angesichts der Vielfalt biblischer Bilder und der historischen Bedingtheit des familialen Zusammenlebens bleibt entscheidend, wie Kirche und Theologie die Bibel auslegen und damit Orientierung geben.
Dies ist der Traum jedes Theologen. Mit der Bibel kann man nichts anfangen, aber der Theologe kann sagen, was richtig und was falsch ist. Welche Macht bekommt da der Theologe, der jetzt an Stelle der Bibel steht und sich das passsende aussucht und die Menschen so lehrt. Dies ist weder evangelisch noch lutherisch. Dies ist katholisch im tiefsten mittelalterlichen Sinne. Da ist es wieder, das Lehramt, das weiß, was für das gemeine Volk richtig ist. Wer Tote auferweckt, der darf auch sagen: „Ich aber sage euch...“ Hat Luther vergeblich sein Leben für das Wort aufs Spiel gesetzt, als er in Worms vor dem Reichstag stand?

„… wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“ [Dt. Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. II, n. 80, S. 581-582, nach Wikipedia]. Wußte er nicht, dass es angesichts des vielfältigen Zeugnisses der Heiligen Schrift auf die Auslegung aus Rom ankam? War die Reichsacht also berechtigt?

Setzt man diese Orientierungshilfe und die Jesusbücher von Benedikt XVI in Beziehung, dann fragt man sich schon, was „evangelisch“ und was „katholisch“ ist. Aber beschäftigen wir uns mit dem Text im einzelnen:

Es ist schon nötig, dass man Abschnitt 38 als Ganzes liest, um sich die ganze Armut dieses Papiers vor Augen zu führen:

(38) »Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Frau.« Mit diesen Worten aus dem zweiten Schöpfungsbericht beginnt die Textzusammenstellung, die evangelischen und katholischen Christen hierzulande aus der Trauliturgie vertraut ist. Am Ende steht dann das bekannte Jesuswort aus Matth 19,6: »Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden«: Mit der Agende erinnert die Kirche in jedem Traugottesdienst an das große Glück, einen Partner oder eine Partnerin fürs Leben zu finden und gemeinsam eine Familie zu gründen, und an die Bedeutung von Treue, Geduld und Vergebungsbereitschaft für die Liebe. Füreinander geschaffen zu sein und »auf ewig« zueinander zu gehören, das entspricht dem Lebensgefühl der Paare bei ihrer Hochzeit; gegen alle Erfahrung zerbrechender Beziehungen, von Kinderlosigkeit und Auseinanderleben sind die Worte der Trauagende wie ein Schutzwall für Treue und Beständigkeit. Der »kirchliche Segen«, den die Paare und ihre Familien erbitten, soll die Liebe stark machen. Dabei wird ernst genommen, dass es in der Ehe keine Garantie für menschliches Glück gibt, vielmehr gilt das Trauversprechen gerade »in guten wie in bösen Tagen«. Denn »es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei«. Über der inneren Zustimmung zu dieser Erfahrung kann in den Hintergrund treten, was uns heute in diesen Texten fremd ist, etwa dass das Schöpfungsgeschehen vom Mann her gedacht ist, die Frau als »Gefährtin« des Mannes verstanden wird, als »Hilfe, die ihm gleich sei« – oder dass das Paar einander, vor allem aber die Frauen ihren Ehemännern »untertan sein sollen«, weil »der Mann des Weibes Haupt« sei (Eph 5).
Erfreulich ist, dass sogar drei Bibeltexte positiv zitiert werden. Angesichts der auch von den Autoren festgestellten Breite des biblischen Zeugnisses ist es ein wenig dürftig. Der erste Vers, der heran gezogen wird, hat mit Familie zunächst einmal gar nichts zu tun. Es ist 1. Mose 1, 27: Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; männlich und weiblich schuf er sie. Dies ist nur die unbestreitbare Aussage, dass es die Kategorie MENSCH gar nicht gibt, sondern dass es MANN und FRAU gibt. Hier steht, dass Mann und Frau Abbild Gottes sind. Das ist die Kernbotschaft dieser Bibelstelle. Dies sollte eine Orientierungshilfe der EKD auch bemerken und darstellen und diese Bibelstelle nicht in Richtung EHE verbiegen. Auf das Zusammenleben von Mann und Frau zielt diese Bibelstelle nicht ab, sondern auf ihre Wertigkeit. Beide sind Ebenbild Gottes. Damit ist weit vor dem alten und neuen Bund (Abraham und Jesus) ein Signal gesetzt: Beide sind Abbild Gottes. Wieso verlieren die Autoren darüber kein Wort?

Das zweite Wort ist das Jesus-Wort aus Matthäus 19, 6: So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Ob die Autoren dieses Bibelwort positiv bewerten, lassen sie offen, es ist für Sie nur das letzte Wort der Traulithurgie. Ein Kommentar zum Inhalt ist er den Autoren nicht wert. Eigentlich ist das richtig, der Text ist von unüberbietbarer Klarheit. Aber bedenkt man, was sonst noch in der Orientierungshilfe steht, passt er eigentlich nicht in die Argumentation.

Der dritte Text, der den Autoren noch halbwegs tragbar erscheint, ist 1. Mose 2, 18: Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht! Hier sollte man erst einmal bemerken, dass da Mann steht: Es ist nicht gut, daß der Mann allein sei Wieviel Weisheit darin steckt, kann man in jedem Altenheim sehen, wenn man vergleicht, wie Männer und Frauen mit der Einsamkeit zurechtkommen. Männer wie Frauen leiden darunter, aber der Mann wird dadurch deutlich unbeholfener. Diesen Aspekt, dass der Mann viel mehr auf die Frau angewiesen ist als umgekehrt, kann man auch schon aus dem vorangehenden Zitat von Jesus herauslesen, wenn man dort den Vers 4+5 liest. Dort sagt Jesus: Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Weib erschuf (5) und sprach: «Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen; und die zwei werden ein Fleisch sein»? Der Mann ist es, der seinem Weibe anhängt. Das klingt keineswegs nach „Boss“, das klingt eher danach, dass der Mann die Frau braucht. Die Autoren der Studie stören sich an der Gehilfin, obwohl ihnen ein wenig Bibelstudium zeigen würde, dass Gott sich nicht zu schade ist, als Gehilfe aufzutreten, andererseits Knecht und Mägde nie mit diesem Wort bezeichnet werden. Die Argumentation, die die Autoren führen, zeigt einfach Unkenntnis oder vielleicht auch fehlende Bereitschaft, den Text wirken zu lassen. Denn sie haben ja vor, die biblische Botschaft als nicht mehr zeitgemäß abzutun.

Über der inneren Zustimmung zu dieser Erfahrung kann in den Hintergrund treten, was uns heute in diesen Texten fremd ist, etwa dass das Schöpfungsgeschehen vom Mann her gedacht ist, die Frau als »Gefährtin« des Mannes verstanden wird, als »Hilfe, die ihm gleich sei« – oder dass das Paar einander, vor allem aber die Frauen ihren Ehemännern »untertan sein sollen«, weil »der Mann des Weibes Haupt« sei (Eph 5).
Hier wird es nun ganz klar, wie die Autoren mit der Bibel umgehen wollen. Es gibt gute und böse Bibelstellen. Epheser 5 gehört zu den bösen Bibelstellen. Da lohnt kein Nachdenken. Da muss man auch nicht tiefer einsteigen. Man könnte ja etwa Epheser 5, 23 denn der Mann ist des Weibes Haupt, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist; er ist des Leibes Retter. Lässt Christus einen Blitz aus dem Himmel herunterschießen, nur weil ein Christ sündigt? Hindert er ihn mit Gewalt am Sündigen? Zwingt er ihn zum Abendmahl zu kommen? Wenn die Autoren ein wenig bereit wären, sich mit den Bibeltexten, die sie zitieren, auseinanderzusetzen, würden sie nicht zu so plumpen Schlussfolgerungen kommen. Dies ist um so schmerzlicher, wenn man die gewaltigen Titel sieht, mit denen die Autoren geschmückt sind? Kennt die Führung der EKD noch ihre Bibel?

Abschnitt 39 greift längst abgehakte Aspekte auf und braucht daher keine Begründung oder biblische Fundamentierung: „... Umgekehrt hat sich auch die evangelische Kirche lange schwergetan, wieder verheiratete Geschiedene zu trauen.“ Dieses ist offenbar sozialer Besitzstand und darf auf keinen Fall diskutiert werden.

So geht es dann weiter: Im Abschnitt 40 werden Beispiele ohne weitere Vertiefung erwähnt, um dann zu der tiefsinnigen Schlussfolgerung zu führen: „Im Mittelpunkt der biblischen Familiengeschichten steht weniger die persönliche Liebesbeziehung oder das individuelle Glück als der Erhalt und das Wachstum der Familie und ihres Besitzes und das Miteinander der Generationen.“. Dies hindert die Autoren nicht, im Abschnitt 41 zu folgern: „Die Bibel erzählt von der Freude über die gefundene Liebe wie bei Isaak und Rebekka und von der großen Liebe zwischen Jakob und Rahel, für die Jakob sieben Jahre bei seinem Verwandten Laban arbeitete – »und es kam ihm vor, als wären es einzelne Tage, so lieb hatte er sie«.“ Hier wird erneut deutlich, dass den Autoren ein ganzheitlicher Blick auf die Bibel fehlt.

Die Autoren haben mit diesem Abschnitt ein ganz anderes Ziel. Die Botschaft kommt im Abschnitt 42: „Angesichts der Vielfalt biblischer Bilder und der historischen Bedingtheit des familiären Zusammenlebens, bleibt entscheidend, wie Kirche und Theologie die Bibel auslegen und welche Orientierung sie damit geben.“ Damit sind wir frei, die Regeln selbst zu setzen. Die Bibel hilft uns da nicht weiter.

Erstaunlich ist, dass dann die Autoren doch positive Aspekte finden, wenn sie Ehe und Ehelosigkeit im Neuen Testament untersuchen. Im Blick auf das, was vorangeht und das, was folgt, erscheint es aber mehr als ein Alibi.

Wie verhält sich der Hinweis auf das Scheidungsverbot im Abschnitt 46 mit dem, was gerade in Abschnitt 39 gesagt wurde? Der Leser bleibt mit der Frage allein. Das Niveau des 5. Kapitel steht in eklatatem Gegensatz zu dem doch recht kompetenten Eindruck, den die Darstellung der rechtlichen Situation macht. So entsteht der schale Eindruck, dass hier einige konservative Geister beruhigt werden sollen.

Im Abschnitt 46 steht ein sehr wichtiger Satz: „Das Scheidungsverbot Jesu erinnert die Paare und Eltern an ihre Verantwortlichkeit und macht Kirche und Gesellschaft deutlich, dass Verlässlichkeit für jede Gemeinschaft konstitutiv sind, weil sie die Schwächeren schützen und damit erst den Spielraum für Freiheit und Entwicklung eröffnen.“ Wenn wir von Selbstverwirklichung, von der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten und von Freiheit reden, dann ist doch gerade in der Ehe die Verlässlichkeit eine zentrale Komponente. Die Partner investieren ineinander. Dies setzt aber voraus, dass sie sich darauf verlassen können, dass der andere nicht plötzlich mit unerfüllbaren Forderungen kommt, dass gewisse Spielregeln im Umgang miteinander gewahrt bleiben und vieles andere mehr. Diese Verlässlichkeit beschränkt meine Freiheit. Dies muss ich klar sehen und dies muss auch gelehrt werden. Und wer dies in den Satz münden lässt: „... dass Verlässlichkeit für jede Gemeinschaft konstitutiv sind, weil sie die Schwächeren schützen und damit erst den Spielraum für Freiheit und Entwicklung eröffnen.“, der verhält sich wie ein Verkäufer, der zwar das Positive herausstellt, aber den Preis nicht nennt. Ja, es ist richtig, dass „Verlässlichkeit ... die Schwächeren schützen“, es ist richtig, „Verlässlichkeit ... erst den Spielraum für Freiheit und Entwicklung eröffnen.“ Aber Verlässlichkeit ist nur da, wo ich meine Freiheit um der Verlässlichkeit willen begrenze. Die hübsche junge Frau ist für mich kein Thema, weil ich meiner Frau ein verlässlicher Partner bin. Und die Beispiele ließen sich fortsetzen im Blick auf die Kinder, die eigenen Eltern, die Karriere, die Produkte, die ich anschaffe usw.

Der Ausflug in die Schöpfungsgeschichte mit dem „sogenannten“ Sündenfall (Warum eigentlich sogenannt, verschweigen die Autoren hier ihr besseres Wissen?) ist wieder sehr oberflächlich und ein wenig süßlich. Hier hätte man schon mehr Substanz erwarten können, insbesondere deshalb, weil dieser Text bereits so viel Weisheit über das menschliche Zusammenleben bietet, die sich nur dem erschließen, der willig ist, in den Text hineinzuhören. Wenn Luther von der Ehe als »göttlich Werk und Gebot« redet, wie die Autoren zitieren und wenn er dann doch von einem »weltlich Ding« spricht, so greift er genau die Diskrepanz auf, die den Autoren im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit bereits entgangen ist. Ja, sie ist gestaltbar und muss gestaltet werden, aber es gibt Grenzen und diese Grenzen muss man herausarbeiten. Die große Freiheit der Autoren im Umgang mit der Bibel zeigt sich in dem folgenden Satz: „... sie ist nicht von Jesus selbst eingesetzt und ist keine absolut gesetzte Ordnung, auch wenn wir uns ihre lebenslange Dauer wünschen.“ Hier erwartet der Leser doch wenigstens einen Querverweis auf das im Absatz 38 zitierte Jesus-Wort aus Matthäus 19, 6: So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Ja, die Autoren haben recht, nicht Jesus sondern Gott selber fügt nach Jesu Wort die Partner zusammen. Ist das daher weniger bedeutungsvoll?

Auch Kapitel 49 zeigt wieder die einäugige Bibelbetrachtung der Autoren. Sie haben recht: „Die biblischen Texte lassen sich als eine Geschichte des Segenshandelns Gottes lesen.“ Und dann zitiert man die Schöpfung, in der man eben noch den „sogenannten Sündenfall“ identifiziert hat oder die große Flut, die ja nicht von allen Menschen als Segenshandeln Gottes empfunden wurde, sondern auch viel Leid bedeutete. Das Ganze hat Methode, wie die nachfolgenden Abschnitte offenbaren werden. Insofern kann man hier schon eine gewisse Absicht vermuten. Aber es schmerzt, wie hier Vertreter einer große Kirche mit einer großen Tradition und einem großen Verdienst gegenüber dem Wort Gottes - Luthers Bibelübersetzung - über die Texte hinweggeht als wären sie nichts. Luther hat in der Auseinandersetzung mit dem Wort ein Tintenfass gegen die Wand geworfen. Von dieser Auseinandersetzung ist bei dieser Urenkelgeneration nichts übrig geblieben.

Liest man Abschnitt 50, ohne 51 zu kennen, so ist es einfach nur richtig und die Hoffnung aller Menschen. Denn niemand wird sich vor Gott hinstellen können und sagen: „Ich habe alles richtig gemacht, ohne Sünde gelebt und muss deswegen in den Himmel eingelassen werden.“ Vor Gott verbleichen all unsere Titel und Taten. Und wenn Jesus dann nicht kommt und sagt: „Lasst ihn ein, ich kenne ihn“, dann haben wir keine Chance. Aber so einfältig ist Abschnitt 50 offenbar nicht zu lesen, sondern er ist das Sprungbrett zu Abschnitt 51.

Dabei ist in Abschnitt 51 mit Respekt zur Kenntnis zu nehmen, dass die Autoren sich vor den entscheidenden Bibelstellen nicht drücken. Zwar werden sie vorsichtshalber nicht zitiert, aber immerhin erwähnt:
3. Mose 18, 22 ff: Du sollst bei keiner Mannsperson liegen wie beim Weib; denn das ist ein Greuel. Auch sollst du den Beischlaf mit keinem Vieh vollziehen, daß du dich mit ihm verunreinigest. Und kein Weib soll sich zur Begattung vor ein Vieh stellen; das wäre abscheulich! Ihr sollt euch durch nichts derartiges verunreinigen. Denn durch das alles haben sich die Heiden verunreinigt, die ich vor euch her ausstoßen will. Und dadurch ist das Land verunreinigt worden. Darum will ich ihre Missetat an ihm heimsuchen, daß das Land seine Einwohner ausspeie.
Römer 1, 22 ff: Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit dem Bild vom vergänglichen Menschen, von Vögeln und vierfüßigen und kriechenden Tieren. Darum hat sie auch Gott dahingegeben in die Gelüste ihrer Herzen, zur Unreinigkeit, daß sie ihre eigenen Leiber untereinander entehren, sie, welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschten und dem Geschöpf mehr Ehre und Dienst erwiesen als dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit. Amen! Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften. Denn ihre Frauen haben den natürlichen Gebrauch vertauscht mit dem widernatürlichen; gleicherweise haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind gegeneinander entbrannt in ihrer Begierde und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen. Und gleichwie sie Gott nicht der Anerkennung würdigten, hat Gott auch sie dahingegeben in unwürdigen Sinn, zu verüben, was sich nicht geziemt, als solche, die voll sind von aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habsucht, Bosheit; voll Neid, Mordlust, Zank, Trug und Tücke, Ohrenbläser, Verleumder, Gottesverächter, Freche, Übermütige, Prahler, erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam; unverständig, unbeständig, lieblos, unversöhnlich, unbarmherzig; welche, wiewohl sie das Urteil Gottes kennen, daß die, welche solches verüben, des Todes würdig sind, es nicht nur selbst tun, sondern auch Gefallen haben an denen, die es verüben.
Den Autoren ist die Relevanz dieser Texte schon bewusst: „Deutet man die biblischen Aussagen, in denen Homosexualität als Sünde gekennzeichnet wird (3. Mose 18,22; 20,13; Röm 1,26-27), als zeitlos gültig, kann man zu der Meinung kommen, eine homosexuelle Partnerschaft sei mit einer heterosexuellen keinesfalls vergleichbar.“ Eigentlich kann man hier Schluss machen, denn die Antwort lautet: Genau so ist es. Den altestamentlichen Text kann man im Hinblick auf das Neue Testament noch relativieren, so wie es auch Apg. 15 tut, wo die Apostel im Konzil festlegen, welche Bestimmungen des Gesetzes noch für die Christen aus den Heiden gelten und welche eben nicht. Aber die Aussage des Paulus ist schon von großer Brisanz, weil er am Ende sagt: ... welche, wiewohl sie das Urteil Gottes kennen, daß die, welche solches verüben, des Todes würdig sind, es nicht nur selbst tun, sondern auch Gefallen haben an denen, die es verüben. Es gibt auch kein Jesuswort, dass uns erlaubt, dieses Wort zu relativieren. Hier stehen die Autoren an der Stelle: Gilt die Bibel oder darf ich sie selektiv lesen. Es geht an dieser Stelle ja nicht um die Frage, ob jemand der das tut Vergebung empfangen kann oder nicht. Es geht erst einmal um die Frage, wie einem solchen Menschen gegenüber zu treten ist. Und da ist der Befund dieses Textes ganz klar: Es ist Sünde vor Gott. Selbstverständlich gibt es Vergebung, auch für solche Menschen. Aber den Ausweg, dieses auch noch zu segnen, sehe ich nicht. Der Text gibt mir keinen Anhaltspunkt.

Es folgt ein wirklicher Höhepunkt dieser Argumentationskette: „Allerdings gibt es auch biblische Texte, die von zärtlichen Beziehungen zwischen Männern sprechen.“ Hier wird ganz dezent ausgedrückt, dass die Autoren das verhältnis zwischen David und Jonathan für homosexuell halten, weil David im Schmerz über Jonathans Tod (2. Samuel 6, 26) seine Liebe zu seinem Freund Jonathan mit Frauenliebe vergleicht und sagt: Saul und Jonatan, lieblich und holdselig in ihrem Leben, sind auch im Tode nicht getrennt; sie waren schneller als Adler, stärker als Löwen! Ihr Töchter Israels, weint über Saul, der euch reizend in Purpur kleidete, der eure Gewänder mit goldenen Kleinodien schmückte! Wie sind doch die Helden mitten im Streit gefallen! Jonatan ist auf deinen Höhen erschlagen! Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonatan; du bist mir sehr lieb gewesen! Deine Liebe war mir viel angenehmer als Frauenliebe! Wie sind die Helden gefallen und verloren die Waffen des Krieges! Auch wenn die Autoren es sehr dezent ausdrücken und das direkte Zitat weglassen, erscheint es mir verwerflich und unangemessen, die Worte, die ein Mensch im Schmerz über den Tod eines Freundes sagt, so zu missbrauchen.

Im folgenden wird deutlich, dass das einfältige Bibellesen ein Ende hat und wir nur noch auf Lehräußerungen der Kirche zu achten haben. Einen solchen Gedankenflug angesichts vielfältiger anderslautender Texte der Bibel, ist entweder aus Unverständnis oder aus apostolischem Sendungsbewusstsein geboren: „Der Mensch wird von Anfang an als Wesen beschrieben, das zur Gemeinschaft bestimmt ist (1. Mose 2,18). Durch das biblische Zeugnis hindurch klingt als »Grundton« vor allem der Ruf nach einem verlässlichen, liebevollen und verantwortlichen Miteinander, nach einer Treue, die der Treue Gottes entspricht. Liest man die Bibel von dieser Grundüberzeugung her, dann sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften, in denen sich Menschen zu einem verbindlichen und verantwortlichen Miteinander verpflichten, auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen. Nutzen homosexuelle Menschen heute die rechtliche Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft, dann erklären sie, wie heterosexuelle Menschen, bei der Eheschließung öffentlich ihren Willen, sich dauerhaft aneinander zu binden und füreinander Verantwortung zu tragen.“ Eigentlich hätte der Text folgendermaßen lauten sollen: Ihr habt gehört dass den Alten gesagt worden ist, Homosexualität ist Sünde. Ich aber sage euch, so ist es nicht. Wenn die Autoren auch Tote auferwecken, dann kann man ihnen so etwas abnehmen. Da aber die Zeichen der Apostel bei ihnen in keiner Weise zu finden sind, sollten sie sich dem Text unterordnen.

Der folgende Text zeigt nun, wie seelsorglicher Umgang mit Problemen und die Bewertung von Verhalten in unzulässiger Weise miteinander vermischt werden: „Es zählt zu den Stärken des evangelischen Menschenbilds, dass es Menschen nicht auf biologische Merkmale reduziert, sondern ihre Identität und ihr Miteinander in vielfältiger Weise beschreibt. Hinter der Vielfalt, die wir in familiären und partnerschaftlichen Beziehungen erleben, stehen gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse. Die Erleichterung von Trennungen und Scheidungen, das Entstehen von Patchworkfamilien, homosexuellen Partnerschaften mit und ohne Kinder bringen offene Fragen mit sich. Zu den Veränderungsprozessen, mit denen Menschen persönlich konfrontiert sind, gehören neue Aufbrüche genauso wie Konflikte. Dass Menschen in solchen Situationen um Segen und Begleitung bitten, wenn der christliche Glaube in ihrem Leben eine Rolle spielt, ist verständlich und zu begrüßen. Die Diskussionsprozesse in einigen evangelischen Landeskirchen sind Ausdruck des geistlichen Ringens um das evangelische Verständnis von Familie und Partnerschaft angesichts des gesellschaftlichen Wandels und eines erweiterten Familienbegriffs auch im Recht.“ Es ist eine seelsorgliche und sensible Frage, wie wir mit Menschen umgehen, die durch eigenes Verschulden oder durch Unverstand in Probleme geraten sind. Ganz sicher helfen wir ihnen nicht, wenn wir alles für gut erklären, was sie gemacht haben. Wir müssen den Menschen auch eine Perspektive geben, was der Wille Gottes in ihrem Leben ist. Und diese Perspektive kann nicht sein, dass wir ihnen sagen, sie sollten zunächst einmal prüfen, ob sie homosexuell sind, falls nicht, sollten sie prüfen, ob sie wirklich Kinder haben wollen oder ob ihnen ihre Karriere wichtiger ist. Sollten sie sich wider erwarten für die Ehe entscheiden, dann sollten sie überlegen, wie sie es mit der Treue halten wollen und ob sie alle drei Jahre einen Meilenstein setzen wollen, ob denn ihre Ehe noch fortzusetzen sei. Da ist das Wort Gottes klar und eindeutig und diese Klarheit und Eindeutigkeit sollten wir vermitteln. Dass in dem Zusammenhang Sünde geschieht und viel Vergebung notwendig ist und niemand das Recht hat, als der Gerechte und Unangreifbare aufzutreten, dass ist eine andere Frage. Aber sie gibt uns nicht das Recht, die Eindeutigkeit der Bibel fallen zu lassen und nur noch wie Notare das Verhalten der Menschen zu registrieren.

Es folgen viele nette Worte, die nicht falsch sind, aber doch, im Zusammenhang gelesen, wie das berühmte Trojanische Pferd wirken. Ich muss das Falsche in viel richtiges einpacken, damit die Argumentation schwer wird. Nehmen wir nur den folgenden Satz als Beispiel: „Heute verstehen sich Menschen bei einer Eheschließung oder bei der Begründung einer Lebenspartnerschaft grundsätzlich als Gleiche, die mit dem Ehevertrag eine liebevolle und verlässliche Lebensbindung eingehen.“ Ja, richtig, und doch geht eine Frau und ein Mann mit völlig unterschiedlichen Prioritäten und Erwartungen an eine Ehe heran. Sie suchen sich völlig unterschiedliche Rollen und ringen zeit ihres Lebens darum, diesen labilen Gleichgewichtspunkt zu halten, in dem eine Ehe glücklich ist. Und dieses labile Gleichgewicht zu schützen und immer wieder neu zu suchen, ist die Herausforderung, der sich Ehen von jeher stellen mussten und auch heute stellen müssen. Die rechtliche Gleichstellung ist dabei nur ein, wenn auch wichtiger Aspekt. Aber er betrifft nur den äußeren Rahmen, die Inhalte müssen die Eheleute sich erarbeiten, ein Leben lang oder, bis es einer Leid ist und aussteigt. Dies müssen junge Menschen am Anfang ihrer Ehe wissen, denn sie sind eben nicht gleich sondern sehr unterschiedlich.




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altKapitel 2. Zwischen Autonomie und Angewiesenheit - Familienleben heute
altKapitel 3. Familie und Ehe im Wandel
altKapitel 4. Verfassungsrechtliche Vorgaben und Leitbilder von Ehe und Familie im Familienrecht heute
altKapitel 5. Theologische Orientierung
altKapitel 6-8. Herausforderungen und Brennpunkte der Familienpolitik
Familienpolitik als neue Form sozialer Politik
Wie Kirche und Diakonie Familien stark machen können
altKapitel 9. Empfehlungen
altExkurs Das Wort „Gehilfin“ in der Bibel
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neuKapitel 2 Zwischen Autonomie und Angewiesenheit - Familienleben heute
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neuKapitel 4 Verfassungsrechtliche Vorgaben und Leitbilder von Ehe und Familie im Familienrecht heute
neuKapitel 5 Theologische Orientierung
neuKapitel 6-8 Herausforderungen und Brennpunkte der Familienpolitik
Familienpolitik als neue Form sozialer Politik
Wie Kirche und Diakonie Familien stark machen können
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